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Viele Menschen gehen dem Thema Tod am liebsten aus dem Weg – bei Nicole Niemann ist das anders. Sie ist Pflegerin auf einer Geriatriestation im Agasplesion Diakonie Krankenhaus in Eimsbüttel. Viele ihrer Patientinnen und Patienten haben schwere Erkrankungen und manche sterben im Krankenhausbett: „Zu meinen normalen Aufgaben gehören das Waschen der Patienten, das Verteilen von Medikamenten oder auch das Anreichen von Essen. Wenn jemand stirbt, übernehmen diese Aufgaben die anderen im Team, so dass ich mich ganz auf diesen einen Menschen konzentrieren kann“, erklärt sie. Kümmern, das heißt oft einfach am Bett sitzen und zuhören. Oder auch noch einmal zusammen das Lieblingslied hören, die Hände mit einer duftenden Creme massieren oder auch ein Stück heiß geliebte Schwarzwälder Kirschtorte auftreiben: „Einmal hatte ich eine Patientin, die gern Sekt getrunken hat. Und dann haben wir mit dem Schnabelbecher angestoßen. Man stellt sich das Sterben immer schwer und traurig vor, aber es gibt auch leichte, richtig fröhliche Momente.“ Nicole Niemann zelebriert den Abschied, während drei Etagen weiter unten in den Kreissälen Geburtstag gefeiert wird.
„Das Thema Sterben hat mich schon als junges Mädchen interessiert. Ich bin ein ruhiger Typ und versuche diese Ruhe weiterzugeben“, sagt Nicole Niemann: „Viele Menschen wollen sterben, sie sind bereit für den Tod.“ Für die meisten Angehörigen sind die letzten Stunden hingegen schwer. Klar, weil es der Abschied eines geliebten Menschen ist, aber auch, weil viele wenig über den Tod wissen. Oft entwickeln Sterbende eine Rasselatmung, die sehr laut und bedrohlich klingen kann: „Dieses Brodeln entsteht, weil der Schleim nicht mehr abgehustet werden kann. Die Angehörigen können das kaum aushalten, aber es ist ein ganz natürlicher Prozess“, erklärt Nicole Niemann. Zum Begleiten gehört auch, mit Angehörigen zu sprechen und dafür zu sorgen, dass sie nicht alleine sind. Weil sich der Tod nicht an Dienstpläne hält, dürfen die Kolleginnen und Kollegen im Notfall bei Nicole Niemann anrufen, auch wenn sie frei hat: „Ich kann nicht immer spontan ins Krankenhaus kommen. Aber wenn es passt, bin ich in den letzten ein, zwei Stunden gerne da.“
Und wie tankt die Palliativexpertin auf? „Einmal hat mir eine Patientin Socken gestrickt. Viele Angehörige sagen, dass sie sich gut aufgehoben fühlen. Das tut mir gut.“ Wichtig sei, abschalten zu können. Nach Feierabend lasse sie die persönlichen Geschichten zusammen mit dem Dienstkittel im Krankenhaus. Feierabend ist Feierabend. In ihrer freien Zeit geht sie mit Freundinnen bummeln und Kuchen essen, schmökert gerne in Romanen. Mit ihrer Enkelin tobt sie auf Spielplätzen, für ihre pflegebedürftige Mutter übernimmt sie Erledigungen. Ihre große Leidenschaft ist das Wasser: „Sobald die Sonne rauskommt, bin ich mit meinem Stand-up-Paddleboard auf den Alsterkanälen unterwegs. Das ist für mich wie ein kleiner Urlaub.“
Für sich selbst und ihre Familie glaubt sie gut vorbereitet zu sein auf das Ende des Lebens: „Es fühlt sich gut an zu wissen, was wie passiert.“ Sie empfiehlt Kurse in Letzter Hilfe, bei denen Menschen lernen können, ihre Angehörigen in der letzten Lebensphase zu begleiten. Und sie rät, sich für die Trauer Zeit zu nehmen: „Der Tod, aber auch die Trauer verdienen einen größeren Platz in unserer Gesellschaft. Viele denken, sie müssen stark sein. Aber für wen und warum? Trauer braucht ihre Zeit und die muss man sich nehmen.“