TEXT Betül Pehlivan / FOTO Cécile Ash
UNSER MIETER
Mit Pinsel und Farbe
Über Pferde, abstrakte Blüten, die Angst und Freiheit in der Kunst
Wir haben unsere Mieterin Catherine Kuhlmann besucht und mit ihr über ihr Leben als Künstlerin gesprochen.
Haben wir nicht alle schon einmal ein Bild gemalt?
Für Kinder ist das ganz normal. Sie zeichnen und malen, was ihnen in den Sinn kommt. Der Fantasie freien Lauf lassen, die innere Welt nach außen tragen, Gefühle verarbeiten, das alles geht ganz einfach. Kleine Strichmännchen oder Häuser mit spitzen Dächern zieren das Papier. Doch viele Kinder hören im Alter von neun bis zwölf Jahren mit dem Malen auf.
Nicht so Catherine Kuhlmann. Wir besuchen die SAGA-Mieterin in ihrer Wohnung im Kontorhausviertel, die sie auch als Atelier nutzt. In einer Ecke steht eine große Staffelei mit einer rechteckigen Leinwand, auf der sich bereits Umrisse floraler Elemente abzeichnen. Daneben steht ein Rollwagen mit Farbtuben, Einmachgläsern und Pinseln. Geschirrtücher mit Farbflecken sind am Wagen befestigt. An den Wänden ihrer 45 Quadratmeter großen Wohnung stehen fertige Gemälde, die ineinander überzugehen scheinen. Über die Zimmer erstreckt sich ein Blumenmeer mit einer harmonischen Farbwelt.
Für die Malerin gehört Kunst zu ihrem Leben, seit sie denken kann. „Als Kind habe ich am liebsten Pferde gemalt“, erzählt Catherine Kuhlmann und lacht. Nach dem Abitur studierte sie als logische Konsequenz Illustration an der HAW Hamburg und der Bezalel Academy of Art and Design in Jerusalem. „Anfangs hatte ich Bedenken, Malerei zu studieren. Mir fehlte die Sicherheit. Für mich hat Illustration als Schnittstelle von Kunst und Design einen größeren Anwendungscharakter als freie Kunst“, erklärt sie. Zur Malerei findet sie während einer Artist Residency in Italien zurück. An einer Wand sollte sie sich mit einer Kleinigkeit verewigen. Der erste Gedanke: „Oh nein, ich kann überhaupt nicht malen“, erinnert sich die 31-Jährige. Doch alles halb so schlimm. „Das hat mir total Spaß gemacht.“ Von diesem Moment an beginnt für sie die Reise zurück zur Malerei. Hier fühlt sie sich freier, kann die Motive selbst aussuchen. „Ich kann viel größer denken, mich ausbreiten. Illustrationen haben oft einen kleineren Rahmen. Meistens bestimmt die Seite der Zeitschrift den Umfang der Bilder.“ Für die Malerei nimmt sich die Künstlerin mehr Zeit und Raum. Ihr Fokus verlagert sich auf ihre eigenen Wünsche. „Wenn ich mit einem Gemälde beginne, muss ich nachdenken. Welche Farben benutze ich? Wie groß soll das Werk werden? Welche Atmosphäre möchte ich transportieren?“, sagt sie.
Catherine Kuhlmann lebt und malt im Kontorhausviertel.
Catherine Kuhlmann stellte ihre Werke bereits in Deutschland, Italien, Japan und den USA aus. Ihre Malerei zeigte sie das erste Mal mit Freundinnen und Bekannten in Los Angeles. „In Deutschland sind die Menschen viel sachlicher an meine Werke herangegangen“, erzählt sie. Es werden Fragen nach Maltechniken gestellt. „In den USA war es wertschätzender. Die Besucher konnten sich mehr auf meine Kunst einlassen.“
Die Gemälde von Catherine Kuhlmann fangen ein Spiel von abstrakten und figurativen Formen ein. Über Blätter, Blüten und Zweige legt sich eine vom Zufall bestimmte Ebene. Ein Gleichgewicht zwischen dem Greifbaren und dem Gegenstandslosen zu schaffen, fiel der Malerin anfangs schwer. „Ich musste lernen, loszulassen und mich von der realistischen Malerei zu lösen. Realitätsnahe Bilder waren lange mein Ziel. Aber auf diese Weise hat mir das Malen gar keine Freude bereitet“, sagt sie und findet: „Ich habe eine gute Balance für mich gefunden“.