Die Modernisierung verleiht der Fassade ein frisches Erscheinungsbild.
AKTUELL
50 Jahre Hexenberg
Am Elbhang zwischen Fischmarkt und Reeperbahn liegt ein Quartier mit besonderer Geschichte. Anfang der 1970er-Jahre entstand am Hexenberg eine der damals modernsten Siedlungen. Heute ist der Hexenberg 50 Jahre alt.
TEXT Betül Pehlivan FOTOS Cornelius Braun
Als Grundschülerin habe ich mich immer gefragt, warum der Hexenberg eigentlich so heißt. Haben hier früher vielleicht wirklich Hexen gelebt? Und könnte ich eine sein, weil ich ausgerechnet in dieser Straße wohne? Gedanken eines siebenjährigen Mädchens. Heute weiß ich, dass hinter dem Namen Hexenberg keine außergewöhnliche Bedeutung steckt. Doch eine bewegte Geschichte hat das Quartier im Stadtteil Altona- Altstadt allemal.
Meine Familie und ich sind im August 2000 in den Hexenberg 8 gezogen. Eine große, gut geschnittene Dreizimmerwohnung im vierten Stock mit Blick in den Innenhof und auf den Hamburger Hafen. Meine kleine Schwester war erst drei Monate alt. Ich wurde frisch eingeschult. Meine Mutter wohnte schon seit 1986 mit ihren Eltern und Schwestern in der Nachbarschaft. Ich erinnere mich an Geburtstagsfeiern mit meiner Familie und Freunden, an ein rosa Puppenhaus in meinem Zimmer, Fahrradfahren im Innenhof und an Frau Schwarzkopf auf ihrem Balkon, die uns Kinder manchmal beobachtete.
Als Erstmieterin kennt Edeltraut Schwarzkopf den Hexenberg so gut wie kaum eine andere. Als sie 1975 ihre Neubauwohnung in der Trommelstraße bezog, ging für sie ein Traum in Erfüllung. Doch schwierige Zeiten lagen hinter dem Quartier. Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg hatten große Wunden in der Stadt hinterlassen. Viele Gebäude waren marode und teilweise nur notdürftig repariert. Anfang der 1970er-Jahre wurde deshalb die alte Bausubstanz abgerissen und am Hexenberg entstand eine der modernsten Wohnsiedlungen der Stadt. Lichtdurchflutete Räume, Zentralheizung, große Balkone mit Blick auf den Hafen und Grünanlagen. „Ich wollte damals unbedingt eine Mittelwohnung, damit ich es schön warm habe. Aber wenn ich gewusst hätte, welche Aussicht ich verpasse, hätte ich mich heute für das oberste Stockwerk entschieden“, erzählt mir die 80-Jährige und lacht.
Doch auch vom dritten Stockwerk hat Frau Schwarzkopf einen hervorragenden Ausblick. Rhythmisch gestaffelte, kubische Baukörper, die sich zu blockartigen Strukturen formieren, reihen sich um den großen Innenhof aneinander. Rund 450 Wohnungen errichtete die SAGA bis 1974 westlich der Straße Pepermölenbek. Typisch für die Häuser ist die Farbe der Backsteine. Wenn mich Mitschüler früher fragten, wo ich wohne, antwortete ich immer: „In den gelben Häusern.“ Bis zur Modernisierung hatten die Gebäude ein maisgelbes Verblendmauerwerk. Heute ist das Gelb wegen der neuen Fassaden etwas heller.
Edeltraut Schwarzkopf blickt von ihrem Balkon in den Innenhof. Dort laufen die Vorbereitungen für das Fest zum 50-jährigen Jubiläum auf Hochtouren. „Früher gab es jedes Jahr ein Hoffest“, erzählt Edeltraut Schwarzkopf. Daran kann ich mich auch noch gut erinnern. Tombola, Essensstände, Musik und Flohmarkt. Auch die Polizei hatte einen Stand. Es gibt ein Foto, auf dem ich mit meiner Cousine auf einem Motorrad der Polizei sitze. „Die ganze Nachbarschaft freute sich darauf, und wir konnten mit den Einnahmen einen Jugendtreff im Quartier finanzieren.“ Die Mieterin hat die Feste damals mitorganisiert.
Im Innenhof treffe ich auf den Hauswart Erkan Gül. Er unterhält sich mit einigen Mieterinnen und Mietern. Kinder holen sich eine Bratwurst und der Musiker Kieper spielt einen Song von Ed Sheeran. „Hier hat sich eine freundschaftliche Nachbarschaft entwickelt. Es leben noch viele Mieterinnen und Mieter am Hexenberg, die als Erstmieter in die Wohnungen gezogen sind“, erzählt er. Auch Erkan Gül ist hier aufgewachsen. Viele Menschen im Quartier kennen ihn. Er beobachtet einen Wandel. „Es gibt viele junge Familien, die in die Nachbarschaft ziehen und auch hier aufgewachsen sind.“ Auch Edeltraut Schwarzkopf beobachtet das. „Es ist schön, wenn folgende Generationen im Innenhof spielen.“
Unsere Autorin Betül Pehlivan wuchs am Hexenberg auf.
Edeltraut Schwarzkopf gehört zu den ersten Mieterinnen.
Auch Hauswart Erkan Gül nennt die hellgelben Häuser sein Zuhause.